Katrin Muehlfeld kl
Matthias Nöckel

New WorkVier-Tage-Woche: ja oder nein?

Prof. Dr. Katrin Muehlfeld von der Universität Trier über das vieldiskutierte Arbeitszeitmodell  

DHB: Für welche Handwerksbetriebe ist das Arbeitszeitmodell geeignet, für welche eher nicht?

Muehlfeld: Der generelle Trend geht sicher in Richtung flexible Arbeitszeitmodelle. Die Vier-Tage-Woche ist für solche Betriebe einfacher umzusetzen, die projektorientiert arbeiten und nicht an feste Öffnungszeiten gebunden sind. Wenn zum Beispiel die Dachdecker häufig auf Montage unterwegs sind, schätzen diese eine verdichtete Vier-Tage-Woche oft – und für den Betrieb ist das auch relativ gut umsetzbar. Größere Betriebe können Engpässe und Abwesenheiten leichter ausgleichen als kleinere. Schwierig kann die Umsetzung dagegen für Betriebe sein, die eine kontinuierliche Verfügbarkeit anbieten müssen oder wollen, beispielsweise Notfallversorgung oder Reparaturdienste. Auch körperliche Aspekte wie Erschöpfung und Konzentrationsfähigkeit müssen mit Blick auf die Realisierbarkeit längerer Arbeitstage berücksichtigt werden.

Bei direktem Kundenkontakt, etwa bei Friseuren und Fleischereien, müssen die Betriebe zudem prüfen, welche möglichen Einschränkungen der Öffnungszeiten die Kunden mittragen. Zu bedenken ist aber auch, dass bei einer Vier-Tage-Woche nicht alle unbedingt am selben Wochentag zuhause bleiben müssen. Letztlich geht es eigentlich gar nicht darum, den ganzen Betrieb komplett umzustellen. Stattdessen zählen individuelle Lösungen, die die Belange von Betrieb und Mitarbeitenden in Einklang bringen. 

DHB: Bei einer Variante beispielsweise verteilen Mitarbeitende ihre Wochenstundenzahl kompakt auf vier Tage anstatt fünf. Oder sie verzichten auf einen Teil ihres Gehalts, um einen Tag frei zu haben. Welche Variante ist im Handwerk eher praktikabel – womöglich auch eine flexible Mischform?

Muehlfeld: Flexible Mischformen dominieren in der Praxis aktuell. Bei Betrieben, die sich der Arbeitszeitflexibilisierung schon stark geöffnet haben, beobachten wir oft ein buntes Nebeneinander von Modellen anstelle einer einheitlichen, betriebsweiten Regelung. Es ist eben auch nicht so, dass alle Arbeitnehmenden etwa auf einen Teil des Gehalts verzichten möchten, um in den Genuss einer Vier-Tage-Woche zu kommen oder zehn statt acht Stunden arbeiten wollen für einen zusätzlichen freien Tag.

DHB: Gibt es Erkenntnisse, wie sich die Vier-Tage-Woche auf Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden, Produktivität und Effizienz auswirkt?

Muehlfeld: Es gibt inzwischen etliche Studien, die zeigen, dass eine Vier-Tage-Woche vielfach Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden steigert, besonders – aber nicht nur – wenn damit auch eine Verringerung der Arbeitszeit einhergeht. Dadurch, dass sie an einem zusätzlichen Wochentag volle Zeitautonomie gewinnen und zum Beispiel auch seltener zur Arbeit pendeln müssen, empfinden viele Arbeitnehmende weniger Stress. Mit Blick auf Produktivitätseffekte sind die Ergebnisse widersprüchlicher und reichen von erhöhter Produktivität, zum Beispiel durch gesteigerte Motivation, bis zum Gegenteil, zum Beispiel wegen abfallender Konzentration. Auch ist bislang unklar, ob die positiven Motivationseffekte langfristig bestehen bleiben.

Insgesamt steckt die Erforschung der Auswirkungen der Vier-Tage-Woche noch in den Kinderschuhen. Sie wird auch dadurch verkompliziert, dass in den bisherigen Studien ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen (Land, Branche) betrachtet und verschiedene Formen der Vier-Tage-Woche untersucht wurden, was die Vergleichbarkeit erschwert. 

DHB: Haben auch ältere Beschäftigte den Wunsch nach der Vier-Tage-Woche, oder sind es eher Arbeitnehmende aus der Generation Z?

Muehlfeld: Ältere Arbeitnehmende schätzen es beispielsweise, einen zusätzlichen Tag für Familie, Hobbies, Ehrenamt oder eine längere Regenerationsphase zu haben. Insgesamt gibt es in allen Altersgruppen sehr unterschiedliche Lebensmodelle, Bedürfnisse und Vorstellungen zu Arbeit und Privatleben. Die Praxis zeigt, dass die Arbeitnehmenden gerade die Berücksichtigung ihrer persönlichen Situation schätzen – und dass dies auch den Betrieben mehr hilft als der Versuch, ein einheitliches Arbeitszeitmodell zu finden, das für alle gleichermaßen passt. 

DHB: Was würden Sie Handwerksbetrieben empfehlen, die eine Vier-Tage-Woche in Erwägung ziehen?

Muehlfeld: Information und Vorbereitung sind entscheidend. Es muss eine Abwägung von Bedürfnissen der Arbeitnehmenden und des Betriebs sowie zwingend der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise der Höchstarbeitszeit, stattfinden. Und: Der Prozess sollte transparent unter Einbindung der Mitarbeitenden gestaltet werden, weil es ja gerade auch um ein Signal des Miteinanders geht. In einigen Betrieben hat sich eine Testphase bewährt. In der Praxis zeigt sich: Die Arbeitszeitmodelle sind im Ergebnis oft ähnlich vielfältig wie die Mitarbeitenden. 

Näheres zur Studie: hier

Quelle: Deutsches Handwerksblatt (DHB), Ausgabe DHB 05/2024